Der Regentanz von Puradies-Chef Michael Madreiter
Puradies
Die schleichende Veränderung ist nun mit einem Pandemie-Schlag Realität geworden, sagt Michael Madreiter, der das Hotel Puradies in Leogang im Salzburger Land führt. Jetzt möchte er mit seinen Gästen an Investitionen in die Zukunft arbeiten und Glücksritter zu Wohltätern machen.
Philantrop und Familienmensch Michael Madreiter führt das Hotel Puradies. c Puradies
A-LIST: Wie verbringst du den neuen Alltag?
Wir im Puradies haben einen unglaublichen Vorteil, unsere Bio-Landwirtschaft mit über 37 Hektar Naturlandschaft aus sanften Wiesen und Wäldern umgeben unser Hotel. So müssen auch unsere Tiere täglich versorgt werden, und darüber hinaus mache ich mein Büroarbeit im Home Office in bester Lage mit vielen Pausen draußen in der Natur. Ich genieße die klare Bergluft nun viel bewusster, und meine drei Kinder, die mir nun sehr häufig bei der Arbeit über die Schulter schauen, erleben unsere wunderbare Familie nun viel intensiver.
Der gesamte Tagesablauf folgt einem sehr natürlichen Lauf: mit der Morgensonne aus dem Bett und mit Einbruch der Nacht geht's müde zurück. Zuletzt hatte ich diesen ursprünglichen Rhythmus bei meinen Surftrips. Ein wunderbares Gefühl, das nur von den Auswirkungen der globalen Pandemie gedrückt wird und wie eine graue Wolke über uns schwebt.
Hier kommst du zur A-List-Geschichte über das Puradies.
A-LIST: Was hast du in den letzten Wochen gemacht, wozu du seit Jahren nicht gekommen bist?
Gerade wenn das Tempo durch äußere Umstände gedrosselt wird, hat man Zeit, eigene Ziele zu überdenken und etwas dafür zu tun. Als absoluter Familienmensch haben wir bereits vor der Corona-Krise täglich gemeinsam zuhause privat mit den Kindern gekocht und besonders gute Rezepte niedergeschrieben. Jetzt haben wir die Zeit, daraus ein Madreiter-Familien-Kochbuch zu machen – und vielleicht werden wir dieses gemeinsam mit unseren Top-Köchen verfeinern und auch mal veröffentlichen.
A-LIST: Welche Plätze in deiner Gegend geben dir momentan Kraft?
Unsere besondere, fast paradiesische Lage in der Mitte des Leoganger Tals strahlt schon eine starke Kraft aus. Die Ruhe auf unserem Plateau ist einmalig. Aber die hauseigene Embachalm ist ein absoluter Geheimtipp. Hier findet man nebst einer großen Portion Erdung viel positive Energie für die anstehenden Aufgaben.
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Mit diesen Hoteliers sprechen wir noch über die Corona-Krise:
Martina Toifl vom The Mozart Hotel Salzburg: Krisen beflügeln
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Der Regentanz von Puradies-Chef Michael Madreiter
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Corona, Klimawandel, künstliche Intelligenz: Eine veränderte Gesellschaft?
A-LIST: Nach dem ersten Schock - wie schätzt du die Lage in deiner Region und deinem Haus ein? Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Als Philanthrop beschäftige ich mich selbstverständlich mit der gesellschaftlichen Großwetterlage. Klimawandel, disruptive Technologien, Genome Editing, künstliche Intelligenz und weitere Themen haben das Potenzial, unsere Gesellschaft umfassend zu verändern. Wir haben die Veränderung schleichend vermutet, nun ist sie mit einem Pandemie-Schlag Realität geworden. Eine unglaubliche Herausforderung, für die es keinen Hammer gibt. Dieses Problem ist kein Nagel. Sich in der Komplexität nicht in Angst zu verlieren und sich auf seine Stärken zu konzentrieren, ist sicherlich erforderlich. Aber es gilt so schnell wie möglich die brennenden Zukunftsthemen aufzugreifen und zu schauen, wie man als Tourismus-Unternehmer mitmischen kann und was man gegebenenfalls umstellen oder verändern muss. Viele Investitionsideen stehen nun auf den Prüfstand.
A-LIST: Was unternimmst du in deinem Hotel, damit Gäste jetzt buchen oder umbuchen?
Wir bieten unseren Gästen eine sorgenfreie und risikolose Möglichkeit einer Buchung an. Reduzierte bis keine Anzahlungen und keine Stornogebühren für eine gewisse Zeit. Wichtig ist es nun, mit den Gästen und ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Ihnen zumindest einen Teil der Ängste und Sorgen zu nehmen. Dass man dort unterstützt, wo man es aus der Ferne kann.
Michael Madreiter schreibt während Corona an einem Familen-Kochbuch. c Puradies
A-LIST: Was sind deine Forderungen an die Politik?
1. Die Politik sollte auf Einzelgänge verzichten und versuchen, die Pandemie auf globaler Ebene zu bekämpfen. Globale Probleme kann man nicht mit lokaler Politik lösen, hier braucht es einen weltweiten Schulterschluss und eine einheitliche Vorgangsweise aller Staaten. Die österreichische Strategie mag moralisch/ethisch korrekt sein, aber man muss es schaffen, die Risikogruppen zu schützen, damit der Rest wieder einem normalen Leben folgen kann. Über alle eine Glaskuppel zu stülpen ist sicher der falsche, nicht finanzierbare Weg.
2. Die Politik muss klar formulieren, welche strategischen Alternativen es gibt und welche Szenarien sich daraus ableiten. Man muss den Menschen und Unternehmen die Handlungsfähigkeit zurückgeben und die Zeitpunkte dafür bestimmen.
3. Nach der Krise braucht es umgehend eine Neuausrichtung von Sozial- und Steuerlandschaft, die verkrusteten Systeme müssen aufgebrochen und endlich in ein neues Zeitalter überführt werden. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, wird es an allen Ecken und Enden Unterstützung brauchen. Zum einen Investitionsförderungen um die Attraktivität der Unternehmen zu erhöhen und Arbeitsplätze zu schaffen. Und zum anderen eine deutliche Senkung der Lohnkosten, um diese Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten. Es braucht einen deutlichen Unterschied zwischen Arbeitslohn und sozialen Transferleistungen.
4. Die Gewinner der Krise müssen deutlich abgestraft oder finanziell zur Kasse gebeten werden. So sollten z.B. alle Aktiengewinne aus den kommenden drei Jahren deutlich höher besteuert werden, um die Glücksritter der Pandemie auch zu Wohltätern zu machen.
Optimisten tanzen unter der Wolke im Regen
A-LIST: Wie heißt dein Leitsatz in der Krise?
Die Optimisten tanzen unter der Wolke im Regen.
A-LIST: Was sagt dein Bauchgefühlt: Wie wird Corona das Reisen generell verändern? Wird es langsamer oder schneller? Weiter oder näher?
Die Vergesslichkeit der Menschen ist groß. Die drastische Veränderung des innereuropäischen Sozialgefüges sowie der weltpolitischen Machtverteilung bereitet mir da mehr Sorgen. Die Menschen werden wieder reisen, vielleicht sogar mehr als je zuvor, da wir alle für einen Moment zu spüren bekamen, wie wertvoll das Leben ist und wie sehr wir es genießen sollten. Es werden aber nicht mehr alle Menschen im selben Ausmaß dieses Glück haben. Diejenigen, die es weiterhin haben und sich leisten können, werden sicherlich sorgsamer und bewusster Entscheidungen treffen.
A-LIST: Was sind die Dinge, die du nach der Krise unbedingt machen willst und wirst?
Ich werde mit gutem Vorbild vorangehen und Urlaub machen, wenn der Betrieb wieder eingelaufen ist und wir guter Dinge in die Zukunft blicken können. Auch werden wir die geplanten Investitionen noch sorgsamer unter die Lupe nehmen und präziser formulieren. Dabei werden wir unsere Freunde und Gäste stärker in Entwicklungsprozesse einbinden, weil wir glauben, dass die Welt ein besserer Ort ist, wenn Menschen Träume haben und nach ihnen streben. Es gibt Momente wie diese, in denen sie weiter entfernt und schwerer zu erreichen scheinen. Aber genau in diesen Zeiten sind Träume am wichtigsten. Wir möchten gemeinsam mit unseren Gästen an diesen Träumen arbeiten.