Mit seinem Debütroman „Triceratops“ war der Oberösterreicher 2020 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Uns verrät das künstlerische Multitalent seine persönlichen Lieblingsplätze in Linz. Eine außergewöhnliche Tour!
von Barbara Seemann / 18.07.2021
Der gebürtige Linzer Stephan Roiss lebt als freier Autor und Musiker im benachbarten Ottensheim sowie in Graz. Als Pendler zwischen Oberösterreich und der Steiermark ist er in beiden Kulturszenen daheim. An Graz schätzt er u.a. das Feinsinnige und das mildere Klima, an Linz den rauen, direkten Punk-DIY-Einfluss und die Donau.
Im September erscheint mit „Extremliab“ das zweite Album von Stephan Roiss´ Band „Äffchen & Craigs“. Veröffentlicht wird es als Schallplatte. Außerdem arbeitet der Autor „fleißig as hell“ an seinem nächsten Roman.
Im Interview spricht der kritische Geist über perfekt unperfekte Konzertlocations, charmant eigenwillige Buchhandlungen und inspirierende Cafés.
Stephans Linz-Tipps
In welchem Linzer Stadtteil hältst du dich derzeit besonders gerne auf?
In Linz wird rasch als abseitig empfunden, was mehr als einen Katzenwurf (sic) von der Landstraße entfernt liegt. Dabei gibt es im vermeintlichen Outback viel zu entdecken. Zum Beispiel im Franckviertel, wo der Verein Schlot seit einigen Jahren erfrischend umtriebig ist.
Du pendelst aktuell zwischen Linz/Ottensheim und Graz: Worauf freust du dich in Linz immer besonders?
Auf die Donau. Mit guten Menschen am Strand in Alturfahr sitzen, der Lände entlang spazieren, das wunderbare Kollektiv Time's Up im Hafen besuchen. Ohne Unterlass passieren Wassermassen und mit den Wassermassen eine Fülle von Welt. Und man kann baden. In der Mur ist das schwierig und sowieso nicht besonders ratsam. Aktuell freue ich mich zudem besonders auf Veranstaltungen und Projekte von „qujOchÖ“, weil dieser bunte Haufen nebst Time's Up das Klügste, Spannendste und Witzigste ist, was Linz punkto interdisziplinärer und politisch engagierter Kunst zu bieten hat.
Time's Up,
Industriezeile 33b,
4020 Linz48.314500, 14.321790+43 732 7878045 Was tut sich in Linz? Wo entwickelt sich die Stadt derzeit besonders sehenswert?
Corona hat freilich auch in Linz viele Entwicklungen ins Stocken gebracht. Trotzdem haben in den letzten Jahren viele neue Initiativen das Stadtleben bereichert: der Tresor veranstaltet tolle experimentelle Konzerte im Untergrund des Hauptplatzes, der Raumteiler ist ein fabelhaftes Kulturwohnzimmer, der Verein DH5 bietet Platz, vernetzt und feiert die Vielfalt. Freilich geschieht aber auch laufend Skandalöses. Ich will nur zwei Beispiele nennen: Die Streichungen der Landesförderungen für maiz, FIFTITU% und Arge SIE – allesamt wichtige feministische Initiativen mit Basis in Linz – regen mich bis heute auf. Besorgniserregend finde ich auch, dass sich mittlerweile sogar innerhalb der Freien Szene Verschwörungstheorien immer größerer Beliebtheit erfreuen und auf Kosten von Vernunft und Solidarität einfache Lösungen für hochkomplexe Probleme propagiert werden.
Tresor,
Hauptplatz 32,
4020 Linz5 Du bist ja gebürtiger Linzer: Mit welchen Orten verbindest du besonders viele Erinnerungen? Haben sie sich im Laufe der Jahre gewandelt oder sind sie charmant unverändert geblieben?
Für meine Sozialisation waren vor allem die KAPU und die Stadtwerkstatt prägend. Dort wurden persönliche, kulturelle und politische Horizonte erweitert, mein Musikgeschmack in den Dreck gezogen und dadurch veredelt. Ich kann mich auch erinnern, dass ich da oder dort einmal eine kleine Flasche Bier getrunken habe. Freilich gab und gibt es laufend Veränderungen: neue handelnde Personen, neue Schwerpunktsetzungen, neue gesellschaftliche Entwicklungen, auf die es zu reagieren gilt. Aber nach wie vor sind die beiden Häuser Flaggschiffe der Linzer Subkultur – grundsympathisch und großartig lästig. Bei Radio FRO durfte ich die Wichtigkeit von Inklusion, kommunikativem Empowerment und freien Medien im Generellen erfahren. Wichtig war auch der Rothe Krebs für mich: trashig, charmant und so etwas wie der verlängerte Arm der Kunstuni im Linzer Nachtleben. Die Bar gibt es zwar in der Form nicht mehr, aber ihr Geist spukt auf dem Salonschiff Florentine munter weiter.
Kapu,
Kapuzinerstraße 36,
4020 Linz48.300757,14.282129+43 732 7796604 Welche Jungautor*innen und -musiker*innen aus Linz, Graz und Umgebung sollte man aktuell sonst noch kennen?
Die Musikerinnen von „Musheen“ sind zwar nicht erheblich jünger als ich, aber ich muss diese Band trotzdem anführen, weil sie die Riot-Grrrl-Ästhetik auf autonome, äußerst treffliche Weise reaktualisiert. Soll heißen: die sind super! Was die Literatur angeht: Mir scheint, dass sich eine junge, schreibende Generation neue Wege bahnt. Exemplarisch erwähne ich die Zeitschrift „Die Hummel“, die in einem Umfeld entstanden ist, das so selbstverständlich weltoffen ist, dass man die verlorene Hoffnung ganz schnell wiederfindet. Ansonsten bin ich auf die ersten Opera Magna von Irene Hetzenauer und Tamara Imlinger gespannt.
Die perfekte Konzert-Location in Linz? Was hat sie, was andere nicht haben?
Perfektion gibt es nirgends, wo Menschen handeln – und das ist gut so. Zweifellos sind KAPU und Stadtwerkstatt tolle Venues, die von jahrzehntelanger Erfahrung profitieren. Aber Besuche im Schlot, im Tresor, im Ann and Pat, u.v.a.m. empfehle ich ebenso uneingeschränkt. Architektonische Mängel und akustische Probleme treten in den Hintergrund, wenn Räumlichkeit und Belegschaft einen solidarischen und empathischen Umgang miteinander bestärken und gegebenenfalls auch einfordern. Wenn es dann noch vegane Salzstangerl gibt, wird der Abend legendär.
Und wohin verschlägt es dich zur After-Show-Party?
Die Möglichkeiten sind zahlreich. Aber ein Lieblingsort ist sicher das Salonschiff Florentine: Blick auf die Donau, Mondspiegelung, leichter Wellengang, stilvoll abgefuckte Einrichtung, überall Kunst, keine Angst vor Trash, viel Mut zu leiwaundem Scheiß.
Wo in Linz und Umgebung lässt es sich besonders kreativ sein? Gibt es einen bestimmten Ort, an dem du gerne schreibst oder dich inspirieren lässt?
Ich gehöre zu jenen Autor*innen, die lieber in Zügen, in ausgetrockneten Flussbetten und in Kaffeehäusern als in den eigenen vier Wänden schreiben. In Linz kommt mir z.B. die Atmosphäre des Cafe Meier sehr entgegen – sofern ich mit Stift und Papier arbeite, denn Laptops sind dort nicht gerne gesehen. Aus guten Gründen. Toll finde ich auch das noch junge NUZ am Hessenplatz.
NUZ,
Hessenplatz 2,
4020 Linz48.300870, 14.2933201 Du bist auf der Suche nach gutem Lesestoff: Wo in Linz findest du ihn?
Generell halte ich es für sehr wichtig, die kleinen, gut geführten Buchhandlungen zu unterstützen. Sofern es nicht unumgänglich ist, bestelle ich nicht online – vor allem nicht via Amazon oder vergleichbaren Konzernen – und vermeide auch die Filialen großer Ketten. In Linz ist mir noch nichts Eigenwilligeres (im besten Sinn) als die Buchhandlung Alex untergekommen. Zudem suche ich auch gerne Antiquariate und Flohmärkte auf. Ich liebe die Spuren, die Vorbesitzer*innen in Büchern hinterlassen.
Wo in Linz würdest du gerne aus deinem nächsten Buch lesen?
Das StifterHaus ist eine etablierte Institution, was das Haus aber nicht daran hindert, sehr gute Arbeit zu leisten. Allerdings lese ich ebenso gern in subkulturellen Locations. Die Honorare fallen dort zwar geringer aus, dafür gestalten sich die Aftershowpartys meist mitreißender.