Der Schwerpunkt von Kunstvermittlerin Helena Schmidt ist Digitalität: Social Media, Internet-Memes und Kunstgeschichte, digitale Gestaltungstools und deren kritische Analyse. Hier findest du ihre ganz persönlichen Wien-Tipps.
von Nina Glatzel / 10.09.2020
Erst kürzlich zog Helena Schmidt nach acht Jahren in der Schweiz nach Wien. "Ich habe mich sofort in die Offenheit und Großzügigkeit der Stadt verliebt, auch wenn darüber oft geschmunzelt wird", sagt sie. Sie erlebt Wien als warme und herzliche Stadt, in der man sich gegenseitig hilft. Noch drei Gründe für ihre Wienliebe: "Kultur, Kultur, Kultur!". Kein Wunder. Helena Schmidt ist Kunstwissenschaftlerin und Kunstvermittlerin. Sie lehrt an der Akademie der Bildenden Künste und gibt außerdem ein E-Journal hinaus: "IT'S ABOUT TIME. Kritische Kunstvermittlung in digitalen Zeiten". Gemeinsam mit Sophie Lingg (ihre Wien-Tipps findest du hier) gestaltet sie heuer das Vermittlungsprogramm der Vienna Design Week: Touren, Workshops und ein Programm für Kinder und Jugendliche.
Wien-Tipps der Kunstvermittlerin
Welcher Ort hat für dich besondere Magie?
Ich bin immer wieder aufs Neue verzaubert von fremden Treppenhäusern in Wien. Hinter vielen Türen verstecken sich wunderbare Hauseingänge mit kunstvoll gestalteten Fliesen, Decken, Geländern und alten Aufzügen, die mich in vergangene Zeiten versetzen.
Wo lernst du sonst das alte, traditionelle Wien kennen?
Kürzlich habe ich mit einer Freundin aus der Schweiz einen ganzen Nachmittag im Gastgarten vom Kleinen Café am Franziskanerplatz verbracht. Bei Kaffee, Sommerspritzer und Liptauerbrot lässt es sich dort wunderbar stundenlang sitzen und schauen. Man ist zwar mitten im ersten Bezirk, bekommt aber trotzdem das "echte Leben" mit — in Form von Chorproben in der Kirche nebenan, Begegnungen auf der Straße und NachbarInnen, die ihre Einkäufe erledigen. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Leute zu uns an den Tisch gesetzt und wir haben immer mehr über den Ort und die Menschen, die in der Umgebung wohnen, erfahren.
Kleines Café
Franziskanerplatz 3
1010 Wien
Kleines Café,
Franziskanerplatz 3,
1010 Wien48.206587,16.3743491 Welche Eigenart schätzt du an den Wienern?
Nach langer Zeit im Ausland schätze ich die charmante Sprache. Ich freue mich etwa über Floskeln, die andernorts wohl übertrieben wirken würden. So verbleibt unsere Hausverwaltung beispielsweise auf ihren Aushängen immer mit "Vorzüglicher Hochachtung".
Was zeigst du uns auf einem Designspaziergang durch Wien?
Das Amalienbad ist ein Ort, der nicht auf den klassischen Spazierrouten liegen mag, mich mit seinem Design aber absolut fasziniert. Gerade im Herbst oder Winter betrete ich das Hallenbad aus den 20er Jahren oft durch den abendlichen Nebel und tauche sprichwörtlich in ein Gesamtkunstwerk ein. Die Keramikfliesen, die alten Holzkabinen, die Glasdecke, die Beschilderung: Jedes Detail erzählt Geschichten.
Amalienbad,
Reumannplatz 23,
1100 Wien48.174282,16.378813+43 1 60747474 Wo reservierst du einen Tisch für ein Abendessen mit der Familie?
Im Salzamt am Ruprechtsplatz im Ersten. 1983 von Hermann Czech gestaltet, speist man dort in einem langgezogenen Raum mit kleinen Tischen und dunklen Kaffeehausstühlen. Die Küche ist wienerisch bis südosteuropäisch, dazu regionale Weine. Im Sommer bin ich auch gerne in den wunderschön-gemütlichen Innenhöfen von Amerlingbeisel (Stiftg. 8) und Glacis Beisl (Breite G. 4). Für Take-Away liebe ich die Thai Isaan Kitchen (Gumpendorferstr. 91). Das Essen ist immer wieder anders - je nachdem, wer gerade kocht - und es gibt wunderbarerweise auch eine große Auswahl an veganen Gerichten.
In welchem Café triffst du Freunde zum Nachmittagsplausch?
Im Sommer gerne in den Lokalen am Yppenplatz, wo es sich anfühlt, als wäre man auf Urlaub: reges Treiben, Menschengruppen auf Parkbänken, spielende Kinder aus der Nachbarschaft und Straßenmusikanten. Ein ganz eigenes Flair, das man sonst so in Wien nicht findet. Im Winter findet man mich im schwer beheizten Café Jelinek, in dem die Wandtapeten einige Geschichten zu erzählen hätten.
Café Jelinek,
Otto-Bauer-Gasse 5,
1060 Wien48.195197, 16.349457+43 1 59741131 Wohin geht's nach der Arbeit auf ein Glaserl Wein?
Nicht für Wein, aber für Sprudel in die Prosecco-Bar in der Lerchenfelderstraße. Dort wird Prosecco vom Fass getrunken, glasweise oder gleich in der Karaffe serviert. Ich mag das gemischte Publikum und die Bedienung ist hervorragend.
Prosecco-Bar,
Lerchenfelderstraße 57,
1070 Wien48.206391, 16.348009+43 1 92030481 Welches Wiener Modelabel hat es dir angetan?
Ich bin ein Fan der geradlinig gestalteten Lederwaren von Glein. In ihrem Atelier und Shop bekommt man Taschen und Schuhe, aber auch Kleidung und Möbel, die nach höchsten ökologischen Standards und mit hochwertigen Materialien gearbeitet sind. Seit einigen Jahren schon begleitet mich eine Glein Tote-Bag, die trotz Büchern, Flaschen und Laptops scheinbar unzerstörbar ist.
Welcher Ort ist für dich abends besonders schön?
Ein Klischee, aber trotzdem wahr: der erste Bezirk. Dick eingepackt vor der reich beleuchteten Staatsoper, der Nationalbibliothek oder der Hofburg zu stehen, ist im stockdunklen und eiskalten Winter zauberhaft.