
Insiderin Wien: Katharina Mückstein
La Banda Film
Katharina Mückstein ist Filmemacherin. Ihr Spielfilm-Debut zeugte zuletzt von einer neuen Generation österreichischer Filmschaffender.
Ihre Firma La Banda Film ist im siebten Bezirk. Welche Grätzel-Nachbarn schätzen Sie besonders?
Naturkost St. Josef ist fast an jedem Arbeitstag ein Fixpunkt für uns. Von uns vier von La Banda Film ernähren sich drei vegetarisch, ich bin noch dazu mit "oldschool" 80er-Jahre-Bioessen aufgewachsen. Da ist das Mittagsmenü von St. Josef einfach ideal. Wenn wir uns gerade reich fühlen, kaufen wir Törtchen bei tart’a tata (Lindengasse) zur Entschädigung für lange Besprechungen. Das Haydn English Cinema (Mariahilfer Straße) zeigt Filme in Originalsprache und gehört darum auch seit meiner Jugend zu den wichtigsten Orten in Wien.
Naturkost St. Josef, Mondscheingasse 10, 1070 Wien
Neubau ist schon länger Hotspot der Kreativszene. Wie verändert sich Ihr Viertel? Welche Trends beobachten Sie?
Wir arbeiten in einem Gemeinschaftsbüro mit anderen Film-Leuten, insgesamt 13 Personen. Es ist eine typische Wiener Altbauwohnung mit verzogenen Flügeltüren, knarzenden, alten Parkettböden und teilweise sogar noch einfach verglasten Doppelfenstern, wie man sie ja immer seltener sieht. Mir kommt es manchmal so vor, als sei unser Büro eine Blase in der Zeit: Es ist abgewohnt und gemütlich und erinnert mit all seinen Provisorien an eine Studi-WG aus den 90er-Jahren. Der Rest des Hauses hingegen ist bereits top-renoviert. Genauso das Grätzel - es wurde alles rundherum in den letzten zehn Jahren extrem „aufgewertet“, Gastronomie und Shopping bestimmen das Stadtbild, das war noch ganz anders, als wir hier angefangen haben zu arbeiten. Eine Zeit lang gab es hier viele leerstehende Ladenlokale, die zu kleinen Büros oder Galerien umfunktioniert wurden. Mittlerweile sind die fast alle wieder weg und sind entweder Lokale oder Geschäfte geworden. Es gab in der Lindengasse brachliegende Gründe mit Streetart und auch die Neubaugasse war bis vor ein paar Jahren wirklich nicht besonders schick. Mir kommt es so vor, als sei der „Kreativfaktor“ im siebten Bezirk zu einer Art Label geworden, aus dem man gut Geld machen kann. Jeder Zentimeter ist jetzt dermaßen kommerzialisiert, dass für Leute mit künstlerischen Berufen, die ja meist keine Großverdiener sind, kein Platz mehr ist. Nächstes Jahr werden wir den siebten Bezirk verlassen, weil wir uns die Miete hier nicht mehr leisten können. Trotzdem gibt es natürlich Plätze, die ich hier sehr schätze.
Für den Soundtrack zu Ihrem letzten Film "Talea" haben Sie mit der Musikerin Tirana kooperiert. Wo haben Sie Ihr letztes Konzert gehört?
Tirana habe ich zuletzt Ende August am Volksstimmefest im Wiener Prater gehört. Nach einem verregneten Tag ist eine halbe Stunde vor ihrem Auftritt die Sonne herausgekommen und der Wald rund um die Jesuitenwiese hat begonnen zu dampfen, während Tirana ihre neuen Lieder gespielt hat. Das war echt schön.
Nicht erst seit diesem Sommer ist Wien Schauplatz für große und kleinere Filmdrehs. Welche Filmschauplätze der Stadt faszinieren Sie?
In Talea habe ich auf der Donauinsel und beim Ölhafen Lobau gedreht, in mehreren Gemeindebauten und im Blumengarten Hirschstetten. Mir gefallen die Orte, die nicht so eindeutig einem Viertel oder einem Milieu zuzuordnen sind, wo sich Architektur und Natur begegnen. Die Innenstadt finde ich weniger anziehend, auch, weil ich im Film immer auf Augenhöhe der Menschen denke: Die Architektur auf Straßenniveau ist nunmal in erster Linie Verkaufsfläche und sieht in jeder europäischen Großstadt gleich aus. Da wäre es also egal, ob man in Rom, Wien oder Hamburg dreht.
Blumengärten Hirschstetten
Quadenstraße 15
1220 Wien
+43 1 400042110
www.wien.gv.at/umwelt/parks/blumengaerten-hirschstetten/
Wo würden Sie selbst gerne noch einmal einen Dreh ansetzen?
Ich möchte unbedingt einmal zur Kastanienblüte auf der Prater Hauptallee drehen und einmal eine Figur im fast ausgetrockneten Bett des Wienflusses laufen lassen, im Sommer, wenn in den Rissen des Flussbetts viele Pflanzen ihre Wurzeln geschlagen haben.
Trotz "Kinosterben" hat die Stadt viele kleine, ganz besondere Kinos. Vor welcher Leinwand nehmen Sie gerne Platz?
Mein liebstes Kino ist mit Sicherheit das Gartenbaukino. Seine Architektur und Größe sind einfach unschlagbar. Besonders in Zeiten des Kinosterbens steht dieser Ort für die Nachkriegs- oder Boom-Zeit, in der das Kino unheimlich populär und groß wurde. Aber auch Votiv- und Stadtkino sind für mich wichtige Orte, seit ich ein Teenager war. In den letzten Jahren schätze ich das feine Programm des Admiralkinos und das Filmcasino liebe ich wegen seiner charmanten Optik. Da kann ich mich nicht entscheiden und wünsche mir, dass sie uns alle erhalten bleiben!
In welchem Café haben Sie zuletzt einen inspirierenden Nachmittag verbracht?
Zurzeit sind meine zwei Lieblingscafés das neueröffnete Café Else (Heinestraße), das seit zwei Jahren ein Highlight im zweiten Bezirk ist und das Café der Maßgreisslerei Lunzer, wo man erstens super frühstücken und zweitens unverpackte, biologisch-regionale Lebensmittel kaufen kann. Auch ins Fett+Zucker (Hollandstraße) gehe ich gerne, besonders an einem verregneten Nachmittag, wenn es gemütlich sein soll.
Filme, die in Wien spielen, greifen oft die besondere Aura, auch die Klischees, die Atmosphäre und die Stimmungen der Stadt auf. Welche Kleinode und Besonderheiten der Stadt schätzen Sie? Welche Orte sind inspirierend für Ihre Arbeit?
Ich arbeite sehr viel und habe oft zu wenig Freizeit, da habe ich das Radfahren in der Stadt für mich entdeckt, als Möglichkeit, einen klaren Kopf zu bekommen und neue Perspektiven zu entdecken. Meistens geht es zwar darum, von A nach B zu kommen, aber ich fahre gerne unterschiedliche Routen oder kleine Umwege durch Ecken, die ich besonders schön finde oder noch nie gesehen habe. Ich fahre zum Beispiel sehr gerne durch die Alliiertenstraße im zweiten Bezirk, die besonders breit und wenig von Autos befahren ist. Dort sieht es noch so aus, wie „in alten Zeiten“. Es gibt einige leerstehende Ladenlokale, man kann sich genau vorstellen, dass es hier einmal ein reges Grätzel-Leben mit allen möglichen Geschäften gegeben haben muss. Da denke ich jedes Mal, dass man hier einen historischen Film drehen könnte, der in den 50er-Jahren spielt. Ich fahre gerne im ersten Bezirk in den kleinen Gassen rund um die Fußgängerzone, man kann im Vorbeifahren die Innenstadt in Bildausschnitten durch die Straßenfluchten sehen, das ist wie der Blick durch einen dieser kleinen Klick-Fernseher, die es früher mit Ansichtskartenmotiven gab.
Und wohin in der Stadt gehen Sie, um auch mal abzuschalten, die Seele baumeln zu lassen?
Ich wohne zwischen Prater und Augarten. Im Sommer mag ich die Liegewiesen im Augarten und die Bunkerei. In den Prater gehe ich das ganze Jahr über. Er ist vielseitig und man kann auch nach Jahren immer noch einen neuen Weg oder eine ungesehene Perspektive entdecken. Auch den Lainzer Tiergarten besuche ich sehr gerne für einen Spaziergang.
Nicht nur in Neubau haben sich viele kleine Läden angesammelt. Ihr letztes Kleidungsstück haben Sie wo gekauft?
Bei Lisi Lang in ihrem Laden lila in der Kirchengasse.