
Insider Wien: Florian Holzer
Wien
Florian Holzer gilt als einer der bekanntesten Gourmetkritiker des Landes. Er schreibt für Falter, Kurier, À la Carte und Gault Millau.
Jetzt, wo wir direkt mit der Quelle sprechen - was gibt es kulinarisch Neues in Wien?
Vergangenen Freitag hat das neue Lokal von Una Abraham in der Großen Pfarrgasse 5 eröffnet. Es heißt Engel und ist das hübscheste Lokal, das ich seit Langem gesehen habe. Küchentechnisch eine Mischung aus Wien, Südburgenland und New York, mit einem Faible für Retrofood. Una serviert südburgenländische Erdäpfelwurst und das Sol-Ei mit einem Maggifläschchen, Mettwurst und Senf. Wirklich lustig und heiter. Die Familie Huth hat auch ein neues Lokal, das Da Max in der Schellinggasse. Der Jospergrill wurde dafür vom Haus der Musik übersiedelt, am neuen Standort liegen keine Steaks mehr darauf, sondern viel Seafood und Gemüse. Außerdem regiert das Thema "Share". Mehrere Personen bestellen gemeinsam Speisen und teilen sie untereinander auf.
Hat ein Gourmetkritiker eigentlich auch Stammlokale?
Ja! Hauptsächlich allerdings welche, die sich in meiner Nähe befinden. Ich mag die Chinabar (Burggasse 76) wegen ihrer unprätentiösen Atmosphäre und auch das St. Ellas (Zieglergasse 52). Es ist das unpeinlichste und strikteste von allen Steaklokalen, die in den letzten Jahren epidemisch aufgesperrt haben. Das Flank Steak ist gut und kostet nicht viel, die kleinen asiatisch-mediterranen Vorspeisen schmecken und die Weine sind nicht kompletter Mainstream, sondern etwa aus Sizilien. Die Bar Tabacchi im fünften Bezirk ist ebenfalls empfehlenswert, dort gibt es fantastische Cocktails und guten Kaffee, der Besitzer ist Münchner und kennt sich mit Bierzapfen aus. Und - zu guter Letzt liebe ich das Schwarze Kameel (Bognergasse 5), es ist mein einziges wirkliches Stammlokal.
Bleiben wir gleich beim Trinken, wo trinkt Florian Holzer ein Glas Wein?
Ich bin bekennender Heurigen-Fan. Es gibt in Wien drei besuchenswerte Heurige: Den Heurigen Zum Guten Grinzing von Jutta Ambrositsch (Anm.: Termine bitte der Homepage entnehmen), Franzi Rauscher in der Langackergasse 5a und den Kierlinger (Kahlenberger Straße 20).
Zum Guten Grinzing von Jutta Ambrositsch
Himmelstraße 7
1190 Wien
+43 664 5006095
www.jutta-ambrositsch.at
Aber Wien hat doch jede Menge neue Bars?
Stimmt. Mein Favorit ist das If dogs run free in der Gumpendorfer Straße 10. Das Interieur stammt vom Architektenduo Tzou Loubroth, einem Chinesen und einem Amerikaner, die beiden haben auch das Shanghai Tan und die Kaffeeküche gemacht. Das Winetime (Zollergasse 5) und das Unger und Klein im Hochhaus (Herrengasse 6-8) mag ich ebenso. Und die neue Bar Puff, eine - ausnahmsweise - helle Bar mit gutem Design, witziger Atmosphäre und gut gemischten Highballs. Mein Favorit ist der Garden Gin, eine Spezialversion des Gin Tonic.
Sie lieben Kaffee, was tut sich auf diesem Sektor in Wien?
Da passiert derzeit irrsinnig viel in Wien, man könnte fast sagen, Kaffee ist das heißeste Ding der Stadt. In der Kaffeefabrik etwa verkauft Tobias Radinger den nicaraguanischen Kaffee Grandoro und seine eigenen Röstungen, im winzigen Kaffeemodul (Josefstädter Straße 35) gibt es Espresso aus edlen Bohnen, der nach Blumen und Beeren schmeckt. Die hippste Kaffee-Adresse Wiens ist derzeit das People on Caffeine (Schlösselgasse 21), eine Kaffeebar mit dem Flair von New York, Vancouver oder Stockholm.
Welche kulinarischen Entwicklungen beobachten Sie noch?
Eine neue Feinkost-Szene entsteht. Neben den Platzhirschen wie dem Meinl am Graben (Graben 19) oder dem Naschmarkt gibt es kleine, verrückte Spezialisten, die bestehen können. Damit meine ich beispielsweise die Selection Neubauer, das Beaulieu (Herrengasse 14) oder den Kärntner Schrittesser mit seiner Filiale in der Reichsratstraße 11 und dem Outlet am Naschmarkt.
Weg vom Essen, hin zum Shopping - wo kauft Florian Holzer ein Outfit?
Klamotten von John Smedley, Martin Margiela und Dries van Noten kaufe ich im Park (Mondscheingasse 20), meine Acne-Jeans bei Song (Praterstraße 11-13). Die Japaner Comme des Garçons oder Yohji Yamamoto erstehe ich bei Emis (Tuchlauben 18). Brauche ich Schuhe, fahre ich meist zum Wunderl nach Sollenau (Wiener Neustädter Straße 49) oder schaue zum Schuhmann in die Herrengasse 14. Meine Sonnenbrillen kaufe ich bei Hartmann.
Wo erstehen Sie Geschenke für Ihre Liebsten?
Bei Walter Weiss (Mariahilfer Straße 33) gibt es wunderschöne Scheren und Haarbürsten aus Schildpatt und Dachsborsten. Bei Irenaeus Kraus kaufe ich alte Schulwandkarten, aber hauptsächlich für mich selbst. Ich besitze mehrere, zum Beispiel zum Thema Kaffee und Rad. Und da ich ein Faible für Fahrräder habe, bin ich auch regelmäßig bei Citybiker (Neustiftgasse 16) und im Radlager (Operngasse 28) anzutreffen. Eine Brooks-Tasche oder einen Hosenclip kann man immer schenken!
In welchem Hotel würde Florian Holzer gerne übernachten?
Da mir Small Luxury Hotels viel lieber sind als überteuerte Luxushotels, würde ich ins Hotel Daniel gehen. Dort ist es günstig und lässig, in der Bakery riecht es gut nach Steak und auf den Tischen stehen ganze "Batterien" mit amerikanischen Saucen. Modern und unkompliziert.
Gewähren Sie uns zu guter Letzt noch einen kulinarischen Ausblick in die Zukunft?
Einerseits werden Hotels und Mäzene immer mehr die Top-Gastronomie determinieren, andererseits werden Imbisse immer interessanter werden. Ich denke da zum Beispiel an die Kaffeebar Katze (Laurenzerberg 1), den Bio-Imbiss Bizzo (Zollergasse 4), das Elefant & Castle (Neubaugasse 45) oder das Wulfisch in der Haidgasse.
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